Janas Aufenthalt an der Westtown School (2010/11)

West Chester, Pennsylvania, USA

Westtown hat mein Leben verändert, verändert es immer noch und wird es auch in Zukunft noch beeinflussen.

Mein Name ist Jana, ich bin 16 Jahre alt und war im letzten Schuljahr 2010/2011 für ein Auslandsjahr in der Westtown School in Pennsylvania, USA. Für mich stand schon sehr lange fest, dass ich ein Auslandsjahr machen wollte, doch nicht nur um Englisch zu lernen, sondern eher um mich selbst kennen zu lernen und weiter zu entwickeln, und ich wusste, dass ich dazu meine eigenen Erfahrungen machen und Abstand von allem bekommen musste.

Wenn ich mir überlege, dass genau vor einem Jahr ich diejenige war, die durch die SSB Website gegangen ist und sich so ungefähr jeden Erfahrungsbericht durchgelesen hat, bekomme ich eine Gänsehaut. Diese 10 Monate voller Erfahrung, Entwicklung, Spaß und Überwindung sind viel zu schnell vergangen. Gerade saß ich noch im Flugzeug alleine auf dem Weg in mein neues Leben und jetzt sitze ich schon wieder Zuhause und denke über diese tolle Zeit nach.

Meine Reise begann am 28. August 2010 am Frankfurter Flughafen. Meine ganze Familie mit Hund hatte mich begleitet und nun war es Zeit mich zu verabschieden. Obwohl ich mir geschworen hatte nicht zu weinen, konnte ich die Tränen einfach nicht unterdrücken. Es war mehr die Angst vor dem Unbekannten aber auch das Wissen meine Familie, die Menschen an denen ich mich immer festhalten konnte, zu verlassen für eine ganz schön lange Zeit. Als der Abschied endlich vorüber war und ich am Gate auf mein Flugzeug wartete, hatte ich Zeit das erste Mal so richtig über alles nachzudenken und zu realisieren, dass ich wirklich gleich auf dem Weg nach Amerika war, in ein fremdes Land in dem ich niemanden kannte. Ich würde jedem raten alleine zu fliegen! In diesen acht Stunden Flugzeit konnte ich mich beruhigen und schon das erste Mal das Gefühl der Unabhängigkeit, der Selbstständigkeit spüren. Ich hatte Zeit für mich, las all die Briefe die meine Freunde mir geschrieben hatten und mit jedem Kilometer gen Amerika ging es mir besser.

Am Flughafen wurde ich von meiner Host family abgeholt, die mich mit einem „Welcome“ Schild und einer riesigen Umarmung  begrüßte. 2 Tage nach meiner Anreise fing dann schon die Preseason an. 6 Stunden Fußball am Tag. Es war die perfekte Möglichkeit die ersten Freundschaften zu schließen. Auch tat es gut, fast die ganze Zeit beschäftigt zu sein. Man hat gar keine Zeit über Heimweh nachzudenken. Ab Mittwoch war ich immer morgens Fußball spielen und nachmittags in der „orientation for international students“.  Ich fühlte mich überwältigt von den vielen Eindrücken, die ich erst einmal verarbeiten musste. Am Anfang war ich sehr abhängig von anderen, da ich den Campus noch nicht gut kannte. Das fiel mir etwas schwer, weil ich eher die Person bin, die zwar gern mit anderen zusammen ist aber selbstständig sein will. Als ich dann endlich mein richtiges Zimmer beziehen durfte und die ersten Schultage hinter mir lagen, beruhigte sich alles. Langsam kannte ich mich gut auf dem Campus aus und lernte viele nette Menschen kennen. Trotzdem plagte mich das Heimweh sehr die ersten Wochen. Alle sind sehr nett zu mir gewesen, doch wusste ich nicht, wem ich mich wirklich anvertrauen konnte. Ich konzentrierte mich sehr auf das Fußballspielen. Ich hatte es in das Varsity Team geschafft. Durch Fußball bekam ich erstmals das Gefühl, irgendwie dazuzugehören. Das Team brauchte mich und das gab mir viel Kraft. Auch half es mir mich mit anderen internationalen Schülern zu unterhalten. Wir alle stellten fest, dass Westtown eine sehr starke Gemeinschaft ist. Doch es braucht seine Zeit, bis man sich so richtig in der Gemeinschaft integriert fühlt. An den Wochenenden weiß man noch nicht so wirklich, was man denn machen kann und ich fühlte mich manchmal schon sehr alleine. Es ist eben eine totale Umstellung vom Leben in einer Familie mit Freunden, die du schon sehr lange kennst und die dich kennen mit deinen Schwächen und Stärken, in eine Schule zu kommen, wo niemand dich kennt, niemand weiß, was sich wirklich hinter deinem Lächeln verbirgt. Doch so langsam verstand ich, dass es nichts brachte sich in meinem Zimmer zu verkriechen, wenn es mir nicht gut ging. Glaubt mir, wirklich alle freuen sich dir zu helfen, egal in welcher Situation. Also vertraute ich mich langsam Leuten an und sie vertrauten sich mir an. Wenn ich Heimweh hatte, ging ich zu Freunden in meinem Dorm und sie halfen mir.  Sie wissen, wie du dich fühlst, weil sie das auch durchgemacht haben.

Wie es der Zufall wollte, war mein Prefect auch in meinem Mathekurs. Langsam entwickelte sich eine Freundschaft und sie wurde meine beste Freundin. Als die Exams näher kamen fühlte ich, dass ich so langsam wirklich ankam. Ich fing an die amerikanische Kultur und besonders das Spezielle, Sonderbare an Westtown zu verstehen. Jeder ist dein Freund. Lehrer machen nichts lieber als dir zu helfen, dein Coach gibt sich die größte Mühe dich zu integrieren und jeder Schüler versucht dich glücklich zu machen. Jeder in Westtown ist speziell und etwas Besonderes. Ich lernte mich auf eine ganz andere Weise kennen, da ich durch meine neu gefundenen Freunde, meine Lehrer und meinen Coach meine wahren Stärken kennen lernte. In einem Internat zu leben ist eines der größten Erlebnisse für mich gewesen. Ich bin sehr glücklich in meiner Familie, doch dadurch, dass ich im Internat nicht immer zu meiner Familie gehen konnte um Halt und Hilfe zu suchen, musste ich mich anderen öffnen. Dadurch bildeten sich nicht nur Freundschaften, sondern ich fühlte mich auch verstanden. Man lernt sich viel schneller viel intensiver kennen. Dadurch, dass man zusammen lebt, sieht man sich die ganze Zeit, das heißt beim Frühstück, wenn man im Schlafanzug schläfrig sein Müsli isst, beim Mittagessen, wenn man genervt oder fröhlich über die ersten Schulstunden redet, beim Sport, beim Abendessen, wenn man sich über die vielen Hausaufgaben beschwert oder andere damit ärgert, dass man selbst nicht so viel zu tun hat. In der Studyhall, beim Lernen, wenn man sich gegenseitig hilft oder nur leise nebeneinander Hausaufgaben macht oder für einen Test lernt, aber das heißt auch, dass man sich sieht, wenn man einen schlechten Tag hat und schlechte Laune hat, wenn man traurig ist, weil irgendetwas passiert ist oder man krank ist. Aber ich lernte langsam, dass gerade die schlechten Erfahrungen alle zusammenschweißen. Durch jede Träne, sei es wegen Heimweh oder einem Ereignis, das man mit anderen teilt, öffnet man sich den anderen. Ich fand dort Menschen, die mich bessern kennen lernten als viele meiner Freunden in Deutschland und das schockierte mich etwas. Als ich Weihnachten nach Hause kam, fiel mir das sehr stark auf. Ich fühlte mich nicht verstanden von vielen Freunden. Niemand wusste, was ich erlebt hatte und ich realisierte, dass so viele meiner „Freunde“ mich gar nicht richtig kannten. Als ich dann wieder nach Amerika zurückkam, erfuhr ich etwas Großartiges. Ich fühlte mich willkommen und sehr wohl. Vor Weihnachten war mir dieses Gefühl gar nicht so klar gewesen. Wie heißt es doch so schön, man realisiert etwas erst dann, wenn man es nicht mehr hat. Mir war gar nicht aufgefallen, wie sehr ich schon in Westtown integriert war. Anfang des Jahres hatte ich nur ein halbes Jahr geplant gehabt. Doch durch das Gefühl der Zugehörigkeit und der etwas traurigen Erfahrung, die ich in Deutschland gemacht hatte, war mir schnell klar, dass ich bis zum Ende des Schuljahres in Westtown bleiben würde.

Es brauchte seine Zeit alle Möglichkeiten Westtowns wahrzunehmen und zu nutzen. Für mich zum Beispiel war es zu Anfangs sehr ungewohnt mit Lehrern zusammen zu wohnen, doch dann verstand ich ihre Hilfe zu nutzen. Ich entdeckte die Library als einen guten Lernort für mich und verstand langsam, dass wenn ich Probleme mit Hausaufgaben hatte, immer irgendwo ein Lehrer war, sei es im LRC (ein Raum, der Hilfe in jeden Fach anbietet) oder in der Library oder im Dorm oder ich konnte einen Schüler aufzusuchen. Ich hatte nicht das Problem Hilfe zu finden, sondern die große Auswahl an Hilfe richtig nutzen zu lernen.

Ich muss sagen, dass es mir sehr schwer fällt dieses hier zu schreiben, da ich dadurch gezwungen bin mir noch einmal all das was ich erlebt habe und was jetzt vorbei ist durch den Kopf gehen zu lassen. Ich vermisse Westtown so sehr und all meine Freunde, die ich gefunden habe. Zwei meiner besten Freunde haben mich sogar diesen Sommer schon hier in Deutschland besucht und ich bin mir auch sicher, dass ich Westtown besuchen werde! Für mich hat gerade die letzte und für mich wahrscheinlich die schwerste Phase angefangen. Ich muss diese Erlebnisse verarbeiten, aber auch damit abschließen und hier in Deutschland wieder Fuß fassen und das ist so viel schwerer als ich es mir je vorgestellt hatte. Ich habe mich nicht verändert, ich habe mich gefunden und das müssen erst mal all meine Freunde verstehen. Auch fühle ich mich nicht mehr richtig verbunden mit vielen. Es fühlt sich fast an wie ein Neuanfang.

Wenn du gerade in der Phase bist, dich für eine Schule in Amerika zu entscheiden, will ich dir dies mit auf den Weg geben. Westtown gab mir so viel, nachdem ich verstanden hatte alle Möglichkeiten Westtowns richtig zu nutzen und mich sowohl der Schule als auch den Menschen zu öffnen. Du solltest dich nicht gleich entmutigen lassen, weil du dich am Anfang alleine fühlst oder verloren. Das ist ein ganz normaler Prozess. Du musst den Menschen dort die Möglichkeit und die Zeit geben deine besondere Persönlichkeit kennen zu lernen. Was mich Westtown am meisten gelehrt hat war, dass ich alles schaffen kann, solange ich mit anderen zusammen arbeite und nicht versuche mich alleine durchzuboxen.  Ich habe nicht nur einmal mit dem Gedanken gespielt, zurück nach Westtown zu gehen. Am Ende fühlte ich mich sehr wohl. Doch ich entschied mich für meine Familie. Zwar fällt es mir jetzt ein bisschen schwer hier wieder so richtig anzukommen, aber ich habe ja all’ die tollen Erinnerungen und so bereue ich nichts. Westtown hat mich so sehr geprägt. Diese Schule ist ein besonderer Ort. Ich habe versucht dies ein bisschen zu beschreiben, doch es ist unmöglich alles in Worte zu fassen. Man muss dort gelebt haben, um diesen starken Zusammenhalt unter den Schülern kennen zu lernen und ihn zu fühlen. Ich bin so froh, dass ich Westtown für mein Auslandsjahr gewählt habe. Es war die beste Entscheidung, die ich bis jetzt in meinem Leben getroffen habe.